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Schützenhöfer: „Die Willkommenspolitik war ein Fehler“

Zur Nachlese: Ein interessantes Interview mit Landesparteiobmann Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer in der Wochenzeitung „Die Furche“.

Interview aus „Die Furche“, Ausgabe 07/2016 vom 18.02.2016. furche.at
Das Gespräch führte Rudolf Mitlöhner.


LH Schützenhöfer Furche „Die Willkommenspolitik war ein Fehler“

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer über die Flüchtlingsströme, den Bundespräsidentschaftskandidaten Andreas Khol und die Programmatik der ÖVP.
Eine wirtschaftsfreundliche Politik und ein Bekenntnis zu traditionellen Werten wider die um sich greifende Beliebigkeit: dazu müsse sich die ÖVP wieder deutlicher bekennen, so Hermann Schützenhöfer.

DIE FURCHE: „Dass ein christliches Land nicht in der Lage ist, für eine gewisse Zeit Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, erschüttert mich. Wenn wir als Christen keine Quartiere finden, dann können wir unseren Taufschein in der Sakristei abgeben.“ Das haben Sie im Mai 2015 bei einem Symposium auf Schloss Seggau gesagt. Anfang dieses Jahres warnten Sie im ORF: „Wir müssen die Dinge benennen, auch in Bezug auf die Frage, wie viele Flüchtlinge verträgt das Land, ohne dass wir den eigenen Kindern und Kindeskindern die Zukunft vermasseln.“ Ist das der vielzitierte Abschied von der Willkommenskultur?

Hermann Schützenhöfer: Ich habe auch bei meiner Antrittsrede als Landeshauptmann gesagt: „Wir schaffen das.“ Heute muss ich sagen: Wir schaffen das nicht alleine. Damals konnte kein Mensch wissen, dass die EU handlungsunfähig ist und bleibt. Wir haben keinen Hinweis, dass es zu einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik kommt. Mein erster Aufschrei war am 21. Oktober, als in Spielfeld Tausende Flüchtlinge ungefragt durchmarschiert sind. Das war für die Menschen ein Gefühl der Ohnmacht – aber ein Staat darf solche Ohnmacht nicht zulassen. Aufgrund dieses Ohnmachtsgefühls ist die Stimmung in der Bevölkerung gekippt, was ganz schlecht ist, weil es jenen Tür und Tor öffnet, die Ressentiments schüren und damit den Spalt in der Gesellschaft zu einem Graben ausweiten. Um den wieder zu schließen, müssen sich die staatstragenden Parteien – dazu zähle ich nicht nur SPÖ und ÖVP sondern auch die FPÖ – auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen.

DIE FURCHE: Hätte man diese Entwicklungen nicht früher schon sehen müssen, oder anders gefragt: War die Willkommenspolitik von Anfang an falsch?

Hermann Schützenhöfer: Die Politik der Willkommenskultur war ein Fehler. Das beginnt bei Angela Merkel, die ich immer sehr bewundert habe – aber da hat sie etwas falsch eingeschätzt; und das endet beim Applaus am Westbahnhof in Wien, denn man hat nicht damit gerechnet, dass das internationale Werk der Schlepper-Verbrecher genau auf solche Signale wartet: um den armen Flüchtlingen, die nichts, aber ein Handy haben, Versprechungen zu machen und sie auf den Weg zu schicken.

DIE FURCHE: „Österreich braucht einen Staatsmann, der in dieser Zeit der Irritation ein Fels in der Brandung ist.“ Das haben Sie über den damals mutmaßlichen Bundespräsidentschaftskandidaten Erwin Pröll gesagt. Ist Andreas Khol auch ein solcher Staatsmann?

Hermann Schützenhöfer: Andreas Khol erfüllt alle Voraussetzungen für den Bundespräsidenten. So ist er beispielsweise Verfassungsrechtler, was ich gerade in dieser Zeit für sehr wichtig halte, wo dauernd die Frage auftaucht, ob dieses oder jenes verfassungsgemäß ist. Er ist in der ganzen Welt vernetzt, spricht mehrere Sprachen -also, ja, er ist ein Staatsmann und wäre ein guter Bundespräsident.

DIE FURCHE: Wie beurteilen Sie seine vieldiskutierte Aussage über die „Nächstenliebe“?

Hermann Schützenhöfer: Der Andreas Khol hat ein bestimmtes Wertegerüst, und er hat ja dann die Dinge in einem Schreiben an Paul Zulehner erklärt, also habe ich da keinen Einwand.

DIE FURCHE: Wobei Khol in der Sache nichts zurückgenommen hat und bei seiner Linie geblieben ist

Hermann Schützenhöfer: Khol bleibt immer bei seiner Linie. Die ist klar wertkonservativ geprägt. Da gibt es in der ÖVP unterschiedliche Ausformungen, gerade auch im Zusammenhang mit dem Katholischen.

DIE FURCHE: Jenseits der konkreten Formulierung von Khol geht es ja um die Frage, ob man aus Bibelstellen wie etwa dem Gleichnis vom Barmherzigen Samariter Schlüsse für die Zuwanderungspolitik ziehen kann oder, als Christ, gar muss.

Hermann Schützenhöfer: Das ist sicher ein schmaler Grat. Aber es gibt nicht nur die Gesinnungsethik, sondern auch die Verantwortungsethik, die von der Frage geleitet wird: Was verträgt das Land? Und da sind wir dabei, Grenzen aufzuzeigen, um nicht die Zukunft der eigenen Kinder zu verspielen. Es muss erlaubt sein, das eigene Land zunächst im Fokus zu haben.

DIE FURCHE: Wie sehen Sie die ÖVP unter Reinhold Mitterlehner insgesamt aufgestellt?

Hermann Schützenhöfer: Wir tun uns alle schwer. Es sind nicht nur die Flüchtlinge, wir haben eine Rekordarbeitslosigkeit, wenngleich verbunden mit einem Beschäftigungsrekord; dazu kommt eine Politikverdrossenheit, die ihresgleichen sucht. Das hat auch damit zu tun, dass wir letztlich, trotz aller Probleme, eine saturierte Gesellschaft sind und in einem nie dagewesenen Wohlfahrtsstaat leben. Da habe ich die große Sorge, dass der geistige mit dem materiellen Wohlstand nicht mithalten kann. Die Leute leben von der Hand in den Mund. Viele haben keine Ziele mehr, sie wissen nur, sie wollen alles zugleich. Es sind Grundtugenden verloren gegangen. Wer sagt dem eigenen Kind noch, dass man für ein Ziel sparen muss. Zuerst geht es um meinen Beitrag, dann kann ich fragen, wo mir der Staat behilflich ist – nicht umgekehrt. Es geht um Fleiß, um Rechtschaffenheit, um ein gelingendes Leben. Die Debatte um solche Grundwerte wird in Österreich nicht geführt – ich glaube, wir hätten sie notwendig.

DIE FURCHE: Könnte es sein, dass die ÖVP im Bestreben „modern“ zu sein, ihre eigenen Wurzeln in den letzten Jahren ein wenig vernachlässigt hat?

Hermann Schützenhöfer: Die ÖVP täte gut daran zu sagen: Wir sind die Partei der Wirtschaft, das heißt, alles zu tun, dass die Rahmenbedingungen so gesetzt sind, dass der Unternehmer hier investiert und nicht woanders; eine Politik verfolgen, die den Unternehmer als Vorbild, nicht als Feindbild darstellt – im Wissen, dass nur sein Gewinn uns den Sozialstaat retten kann. Wenn uns das unter dem Titel „Soziale Marktwirtschaft“ gelingt, dann hat die ÖVP im Parteienspektrum große Chancen. Und: wenn sie gegen die um sich greifende Beliebigkeit auftritt.

DIE FURCHE: Das wäre die gesellschaftspolitische Abrundung …?

Hermann Schützenhöfer: Ja, schauen Sie, es ist für zu viele Menschen die eigene Befindlichkeit das Maß aller Dinge geworden. Damit einhergeht ein massiver Werteverfall. Wenn ich heute manchen Theologen, Priestern, Bischöfen zuhöre, dann kann ich mir natürlich denken: In dieser Kirche bin ich noch dabei? Ich stelle mir die Frage aber nicht, weil ich ja an den da oben glaube, nicht an die da unten. Vom Wertegerüst her hätten wir es – aussprechen müssen wir es wieder. Ich sehe einen massiven Wunsch junger Leute nach Orientierung und nach „Charismatikern“. Wo aber gibt es die -Personen in der Politik, Kirche, Gesellschaft, die andere mitreißen, die man sieht, denen man zuhört – und vertraut?

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