Vereinigte Staaten von Europa: Zusammenhalt oder Zerfall?

Ist eine weitere Integration Europas in Richtung Vereinigte Staaten Europas die notwendige Konsequenz und wünschenswertes Ziel oder wollen wir etwas ganz anderes? Diese Frage stellte Wissenschaftslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder beim fünften Pfingstdialog Geist & Gegenwart, den sie gestern Abend (15. Mai 2013) auf Schloss Seggau bei Leibnitz eröffnete. Landeshauptmann-Vize Hermann Schützenhöfer sagte in seinen Begrüßungsworten: „Der Traum unserer Mütter und Väter von einem Zusammenleben in Frieden in Europa ist wahr geworden, aber jetzt wissen wir nichts mehr damit anzufangen. Es ist nur mehr die Rede von Soll und Haben, nie mehr von Sinn und Sein. Das ist ein Europa, wo es nicht mehr um Europa geht!“

GeistGegenwart
Hermann Schützenhöfer, Egon Kapellari, Johannes Hahn, Kristina Edlinger-Ploder und Robert Menasse
© Foto: thomasraggam.com

Den Gründern von Europa ging es um die Überwindung des Nationalismus, der nur zu Kriegen geführt hat, indem die Nationalstaaten nach und nach Kompetenzen an supranationale Behörden abgeben, aber das haben wir wieder vergessen“, meinte der österreichische Schriftsteller Robert Menasse, der in Vertretung von Alpbach-Präsident Franz Fischler gekommen war und zusammen mit EU-Kommissar Johannes Hahn die Festvorträge hielt. Menasse sprach sich aus diesem Grund vehement gegen den Begriff Vereinigte Staaten von Europa aus. „In den USA gab es vorher keine Nationen, die Situation kann man nicht mit Europa vergleichen. Wir haben eben Nationen mit langer Geschichte und wir haben auch nationale Politiker, die werden sich nicht einfach so selbst abschaffen. Meiner Ansicht nach haben wir derzeit in erster Linie eine politische Krise, nicht eine Finanzkrise. Die Gründer wussten es: Wir bauen etwas vollkommen Neues auf. Es geht um die Bildung des ersten nachnationalen Kontinents der Welt, etwas für das es sich wirklich lohnt, für eine gemeinsame europäische Zukunft zu streiten und zu kämpfen.“ EU-Kommissar Hahn zeigte sich in seiner Wortmeldung nicht davon überzeugt, dass sich die Nationalstaaten auflösen könnten, bekräftigte aber Menasses Forderung nach einer europäischen Vision. „Europa hat auch im 21. Jahrhundert eine große Aufgabe und muss auf der Weltbühne seine Stellung wahren, was nur mit einem geeinten Europa möglich ist.“ Hahn nannte die Reduktion der derzeitigen Energieabhängigkeit vom Ausland und eine wirklich gemeinsame Außenpolitik als wichtige künftige Herausforderungen.

Zu den zahlreichen hochkarätigen Referentinnen und Referenten, die in diesen drei Tage referieren und diskutieren, zählen unter anderem „Hausherr“ Diözesanbischof Egon Kapellari, Alpbach EU-Vordenker Werner Weidenfeld, Caritas-Präsident Franz Küberl, Nationalbankpräsident Claus Raidl, Alexander van der Bellen, Wirtschaftsforscherin Margit Schratzenstaller, die frühere EZB-Direktorin Gertrude Tumpel-Gugerell, EU-Generaldirektor Wolfgang Burtscher, der für die Ökumene zuständige Kurienkardinal Kurt Koch, der evangelische Superintendent Hermann Miklas, Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, VfGH-Präsident Gerhart Holzinger, EIB-Vizepräsident Wilhelm Molterer, die Literaten und Publizisten Dzevad Karahasan, Julya Rabinowich, György Dalos, Olga Flor, Valerie Fritsch sowie zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Der Pfingstdialog Geist & Gegenwart 2013 steht unter der Patronanz der Spitzen der steirischen Reformpartnerschaft Landeshauptmann Franz Voves sowie Erster Landeshauptmannstellvertreter Hermann Schützenhöfer. Die Veranstaltung des Landes Steiermark in Partnerschaft mit der Diözese Graz Seckau und in Kooperation mit Joanneum Research sowie dem Club Alpbach Steiermark wird durch zahlreiche weitere Fördergeber, Sponsoren und Partner unterstützt. Das Symposium lädt noch bis 17. Mai zur Diskussion des Generalthemas „Vereinigte Staaten von Europa. Hoffen. Wagen.“ ein.

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